Suche
Suche Menü

Küssen ist Arbeit

Bei der Weiterentwicklung ihrer Kommunikation modernisieren viele Unternehmen ihre Strukturen und setzen auf neue Tools. Die Investition in Leute, die sowohl die Zeit als auch das Know-how haben, diese Kanäle redaktionell zu pflegen, wird vernachlässigt. Ein Fehler.

Pinke Lippen einer Frau, die durch braunes Papier durchbrechen.

Ich liebe die Überschrift, die sich unser Team ausgedacht hat, um potenziellen Kunden des Munich Communication Lab deutlich zu machen, worin ein wesentlicher Teil unseres Angebots besteht: „Wachküssen“ beschreibt ziemlich genau, was wir in vielen Fällen im MCL tun, wenn wir unsere Klienten bei der redaktionellen Pflege ihrer Websites, Blogs und Social-Media-Kanäle unterstützen. Denn oft starten diese Kommunikationsprojekte ambitioniert und die Protagonisten voller Energie, um nach einigen Wochen oder Monaten zu erfahren, dass diese Kommunikationsarbeit in den meisten Fällen kein zeitlich begrenztes Projekt, sondern eine dauerhaft zu erledigende Aufgabe ist, deren Erfüllung Ressourcen benötigt. In vielen Fällen sind diese Ressourcen nicht in ausreichendem Maße eingeplant. Dann grüßen ungepflegte Websites, versiegte Blogs und weitere Kommunikationskanäle, denen man ansieht, wann die Kommunikationsabteilung das letzte Mal mit Praktikanten ausgestattet war.

Wie gut küssen Chatbots?

In dieser Situation wirkt wie ein Segen, was die Digitalisierung den geplagten Kommunikationsverantwortlichen täglich an neuen Gerätschaften in den Werkzeugkasten legt: Mit immer besseren Software-Paketen kann man die Planung optimieren, Inhalte kuratieren und bearbeiten, die Verbreitung der eigenen Botschaften automatisieren, vor allem aber Reichweiten und Reaktionen erfassen. Algorithmen verwenden, um auf Basis der Auswertungen die nächsten Aussendungen zu optimieren. Chatbots einsetzen, um Interessenten zumindest in automatisierte Dialoge zu ziehen.

Das alles wird preislich immer erschwinglicher, weil es oft auf der Basis von Mietmodellen oder zeitlich beschränkten Nutzungsvereinbarungen funktioniert. Ein Fest für Geschäftsführer, die Kommunikation nur als Kostenstelle kennen, für Einkäufer, Controller und alle, die Geld für Kommunikation ausgeben sollen, aber an der täglichen Umsetzung der Kommunikationsprozesse nicht beteiligt sind. Eine einmalige Investition, die wir sauber in ein Jahresbudget schreiben können und die keine Folgekosten verursacht, weil wir ja schon Leute in der Kommunikation haben? – Ein Traum, das machen wir! Und dann werden Software und gegebenenfalls auch mal neue Geräte angeschafft.

Mit dem Personaleinsatz im Kommunikationsbereich glaubt man dann, umgekehrt verfahren zu können: Verstärkung, weil doch Kommunikation sowohl nach außen als auch intern immer wichtiger wird? – Mag ja sein, dass das bedeutsam ist, aber dafür haben wir ja die Technik angeschafft, und für den Kontakt mit den Nutzern ist ja jetzt der Chatbot dabei. Also bei der Personalplanung schön den Ball flach halten, liebe Kommunikationsabteilung! Und übrigens: Könnt Ihr uns mal die Diagramme schicken, die zeigen, wie sich mit den neuen Tools die Reichweiten entwickelt haben?

Wer nur auf Technik setzt, verliert

Es ist ein wiederkehrendes Muster: Investition in ein neues Tool, eine neue Plattform, eine technische Lösung? – Das bekommen wir als Einmalausgabe ohne größere technische Folgekosten schon hin. Aber Geld für personelle Kapazitäten, um die Plattformen adäquat redaktionell zu bespielen (und damit der Investition auch jenseits der Excel-Charts einen Sinn zu verleihen) – keine Chance!

Diese weit verbreitete Verliererlogik ist nur buchhalterisch argumentierbar. Betriebswirtschaftlich schon nicht mehr, denn es zeigt sich aktuell immer klarer, dass vor allem für den Erfolg von Veränderungsprozessen funktionierende Kommunikationsstrukturen und kompetente Kommunikatoren an Bord sein müssen. Unternehmerisch ist der Verzicht auf eine angemessene personelle Ausstattung der Kommunikationsabteilungen Unsinn, und aus Sicht zeitgemäßer Unternehmensführung ist es vormodern, nicht in das aktive Management von Kommunikation zu investieren.

Aktives Management bedeutet: Menschen müssen die Ziele der Organisation verstanden haben, deren Änderungen mitverfolgen und die Kommunikation entsprechend aktuell gestalten. Gestalten bedeutet, Informationen zu sammeln, zu bearbeiten, in die Formen für die geeigneten Kanäle zu bringen, sie über diese Kanäle zu kommunizieren. Und nein: Die Kommunikation endet nicht mit dem Aussenden der Botschaften, sondern umfasst den professionell gestalteten Dialog mit denen, die im Hinblick auf die Ziele als Vertreter einer Zielgruppe gelten können.

In vielen Unternehmen reichen ein oder zwei Leute, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Aber hauptberuflich. Und – zumindest rechnerisch – ganztags. Themen finden, in Beiträge gießen, mit Feedback umgehen, daraus neue Beiträge machen… Kommunikationsinhalte für das Intranet, für die Wissensplattform, für sonstige interne Kommunikationskanäle. Für den Blog, für Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat. Vielleicht auch für Slack, Yammer oder Teams.

Das ist Arbeit! Und es geht nicht nebenbei. Und es kann auch nicht kompetent im Nebenbei-Modus von Leuten erledigt werden, die sonst eigentlich ganz andere Sachen zu tun haben. Die im Unternehmen aber Facebook nebenbei mitmachen, weil sie ja auch privat Facebook nutzen. Wer hat sich denn privat mit redaktioneller Fließband-Text-Bild-Video-Dialoggestaltung beschäftigt? Für Blogs oder Facebook oder eigene Intranet-Kanäle? Und wer kann das inhaltlich und technisch so rüberbringen, wie es sein muss, damit die Nutzer es nicht für nebenberufliche Amateur-Ertüchtigung halten?

Die Leute, die das können, gibt es übrigens. Ehemalige Journalisten oder junge Leute, die was mit Medien studiert und redaktionelles Handwerk gelernt haben haben. Viele von ihnen suchen eine sinnvolle Beschäftigung. Und unerledigte Arbeiten liegen millionenfach in Unternehmen, Organisationen und Verbänden herum.

Diesen Unternehmen und Organisationen kann man nur raten: Lasst die unerledigten Arbeiten und die kompetenten Kommunikatoren zueinander finden. Macht das jetzt, in den Zeiten, in denen es Euch wirtschaftlich gut geht. Und dann gebt den Redakteuren die Freiheiten, über Ressortgrenzen hinaus die Kommunikation im Unternehmen zu beleben. Erlaubt ihnen, aktiv zu werden, und dann gebt ihnen die Tools, die Algorithmen, die Bots, um sie zu unterstützen. Ihr werdet staunen, wie lebendig Eure Kommunikation sein kann und in welchen Bereichen sich das positiv auswirkt – von der Kundengewinnung bis zum Recruiting.

Findet und verpflichtet Leute, die sich für diese Arbeit begeistern und die das können! Aber überlasst das Wachküssen nicht den Bots. Denn dass Bots nicht küssen können, kann man wissen, ohne es ausprobiert zu haben. Diejenigen, die es trotzdem ausprobieren, sind die eigentlichen Ressourcenverschwender.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.